Was ist ein Reverse Proxy? Unterschiede, Ziele und Einsatzszenarien im Überblick

1. Zunächst das Konzept des Proxy



Ein Proxy‑Server ist ein „Agentur‑Server“, der zwischen Client und Server vermittelt. Anstatt dass der Client direkt einen Server anfragt, sendet er die Anfrage an den Proxy, der dann im Namen des Clients mit dem Zielserver kommuniziert und die Antwort zurückgibt.

Je nachdem, auf welcher Seite (Client‑ oder Server‑Seite) der Proxy steht, unterscheiden sich Name und Aufgabe.

  • Client‑seitig: Der Proxy übernimmt Anfragen, die ins Internet gehen → Forward Proxy
  • Server‑seitig: Der Proxy nimmt eingehende Anfragen entgegen und leitet sie weiter → Reverse Proxy

2. Forward Proxy: Der Client‑seitige Agent

Der Forward Proxy ist das, was wir üblicherweise als „Proxy‑Server“ bezeichnen.

2.1 Funktionsweise

Client → Forward Proxy → Internet (verschiedene Server)
  • Der Client geht nicht direkt ins Internet, sondern sendet die Anfrage an den Forward Proxy.
  • Der Forward Proxy stellt die Anfrage an den externen Server und liefert die Antwort an den Client zurück.

2.2 Typische Einsatzgründe

  • IP‑Versteckung – Für den externen Server ist nur die IP des Proxys sichtbar.
  • Zugriffskontrolle / Filterung – Unternehmen oder Schulen blockieren z. B. YouTube oder soziale Netzwerke.
  • Caching – Häufig besuchte Seiten werden im Proxy zwischengespeichert, um Bandbreite zu sparen und die Geschwindigkeit zu erhöhen.
  • Logging & Monitoring – Aufzeichnung, wer welche Seite wann besucht.

2.3 Beispiele

  • Unternehmens‑ oder Schul‑Proxy‑Server
  • Web‑Proxy zur Umgehung länderspezifischer Sperren
  • Einige VPN‑Dienste, die den Client‑Traffic weiterleiten

Kurz gesagt: Der Forward Proxy wird verwendet, wenn der Client ins Internet geht.


3. Reverse Proxy: Der Server‑seitige Agent



Der Reverse Proxy steht im Gegensatz dazu vor dem Server. Der Client sendet die Anfrage an den Reverse Proxy, der sie intern an die eigentlichen Server weiterleitet.

3.1 Funktionsweise

Client → Internet → Reverse Proxy → Interne Server (Web‑Server, API‑Server usw.)

Der Ablauf in Schritten:

  1. Der Client ruft https://example.com auf.
  2. Der DNS‑Eintrag zeigt auf den Reverse Proxy, nicht auf den eigentlichen Web‑Server.
  3. Der Reverse Proxy führt Aufgaben wie Load‑Balancing, Authentifizierung, Caching oder WAF‑Prüfungen durch.
  4. Er leitet die Anfrage an einen der internen Server (A, B oder C) weiter.
  5. Die Antwort des internen Servers wird wieder über den Reverse Proxy an den Client zurückgesendet.

3.2 Warum „Reverse“?

Im Vergleich zum Forward Proxy ist die Richtung umgekehrt:

Position Forward Proxy Reverse Proxy
Vor Ort Client‑seitig Server‑seitig
Fluss Client → Proxy → Externer Server Client → Proxy → Interner Server

Daher der Name „Reverse“ – der Proxy steht im Server‑Kontext und nimmt eingehende Anfragen entgegen.


4. Vergleich auf einen Blick

Merkmal Forward Proxy Reverse Proxy
Position Zwischen Client und Internet Zwischen Internet und internen Servern
Hauptfokus Client‑Schutz / Kontrolle Server‑Schutz / Betriebseffizienz
Typische Aufgaben IP‑Versteckung, Zugriffsbeschränkung, Filterung, Caching Load‑Balancing, SSL‑Termination, WAF, Caching, URL‑Routing
Sicherheitsperspektive Schutz des Clients beim Ausgehen Verbergen und Filtern interner Server
Hauptnutzer Unternehmens‑/Schul‑IT, Endnutzer Service‑Betreiber, Backend‑/Infrastruktur‑Ingenieure
Beispiele Unternehmens‑Proxy, Web‑Filter, VPN Nginx, HAProxy, AWS ALB, Cloudflare, Akamai

5. Kernfunktionen eines Reverse Proxys

5.1 Load‑Balancing

Problem: Ein einzelner Web‑Server kann den Traffic nicht bewältigen.

Lösung: Der Reverse Proxy verteilt eingehende Anfragen auf mehrere Server (Round‑Robin, Least‑Connections, etc.) und führt Health‑Checks durch, um nicht‑funktionierende Server auszuschließen.

Beispiel: Nginx oder HAProxy als Load‑Balancer vor mehreren Applikations‑Servern, AWS ALB in der Cloud.


5.2 SSL/TLS‑Termination

Problem: Jeder Web‑Server muss HTTPS selbst verarbeiten – CPU‑intensiv und Zertifikatsverwaltung kompliziert.

Lösung: Der Reverse Proxy beendet HTTPS, entschlüsselt die Daten und leitet sie intern per HTTP weiter (oder nutzt internes TLS).

Beispiel: https://example.com wird im Nginx‑Reverse‑Proxy beendet, die Backend‑Server kommunizieren über http://app1:8080.


5.3 Sicherheit (WAF, Firewall, Server‑Versteckung)

Problem: Web‑Anwendungen sind anfällig für SQL‑Injection, XSS, DDoS usw. und man möchte interne IPs verbergen.

Lösung: Der Reverse Proxy filtert bösartige Anfragen (WAF), erlaubt nur zulässige Pfade/Methoden und hält die internen Server im privaten Netzwerk.


5.4 Caching

Problem: Starke Nachfrage nach statischen Inhalten führt zu unnötigem Backend‑Traffic.

Lösung: Der Reverse Proxy speichert statische Dateien und liefert sie direkt, reduziert Backend‑Last und beschleunigt die Antwort.

Beispiel: CDN‑Architekturen wie Cloudflare oder Akamai sind im Prinzip Reverse‑Proxy‑Caching‑Lösungen.


5.5 URL‑Routing / API‑Gateway

Problem: Mehrere Dienste laufen unter einer Domain (Web, API, Admin‑Panel, Microservices).

Lösung: Der Reverse Proxy leitet Anfragen je nach Domain oder Pfad an die passende Backend‑Instanz weiter und kann Authentifizierung, Rate‑Limiting usw. zentral handhaben.

Beispiel:

https://example.com/        → web‑frontend
https://example.com/api/    → api‑gateway
https://example.com/admin/  → admin‑backend

6. Wann welcher Proxy sinnvoll ist?

6.1 Forward Proxy

  • Unternehmen oder Schulen, die Web‑Zugriffe kontrollieren und überwachen wollen.
  • Blockieren bestimmter Seiten.
  • Ausgehenden Traffic zentralisieren.
  • Client‑seitige IP‑Versteckung.

6.2 Reverse Proxy

  • Skalierung von Web‑Services mit Load‑Balancing.
  • Zentrale SSL‑Zertifikatsverwaltung.
  • Schutz interner Server vor direktem Zugriff.
  • Performance‑Optimierung durch Caching.
  • Routing mehrerer Backend‑Dienste unter einer Domain.
  • Microservice‑Architekturen mit API‑Gateway‑Funktion.

7. Fazit

  • Ein Proxy‑Server vermittelt zwischen Client und Server.
  • Forward Proxy steht clientseitig und dient vor allem dem Schutz und der Kontrolle des Clients.
  • Reverse Proxy steht serverseitig und optimiert die Server‑Betriebsumgebung durch Load‑Balancing, SSL‑Termination, WAF, Caching und Routing.
  • In der Praxis ist der Reverse Proxy ein zentrales Element der Infrastruktur von Service‑Betreibern – typische Implementierungen sind Nginx, HAProxy, AWS ALB, Cloudflare oder Akamai.

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